Teil 10

"Das erste Resultat dieser »Sicherheitspolitik« der Wehrmacht war die Praxis, Juden zur Erschießung an die Einsatzgruppen auszuhändigen. In Minsk errichtete der Befehlshaber des Heers ein ziviles Internierungslager für nahezu alle männlichen Bewohner der Stadt, Einheiten der Geheimen Feldpolizei und Angehörige der Einsatzgruppe B »durchkämmten« gemeinsam das Lager. Tausende von »Juden, Kriminellen, Funktionären und Asiaten« wurden ausgesondert. In Zitomir half General Reinhardt der Einsatzgruppe C bei der »Durchkämmung« der Stadt. Außerhalb der Städte wurden die über die Landstraße fliehenden und sich in den Wäldern versteckenden Juden häufig Militäreinheiten ergriffen und den Einsatzgruppen übergeben.

Das zweite Resultat der Theorie, die Juden seien die Anstifter des Partisanenkriegs, waren von der Wehrmacht selbst initiierte Aktionen gegen Juden. IIn Krementschug ersuchte die 17.Armee das Kommando 4b, sämtliche Juden der Stadt »auszurotten«, weil es dort zu drei Fällen von Sabotage an Hochspannungsleitungen gekommen sei. In anderen Städten warteten die Befehlshaber nicht einmal Sabotageakte ab, sondern verlangten antijüdische Maßnahmen zum Zwecke der »Vorbeugung« [...]

Das dritte Resultat der deutschen Theorie einer »jüdisch-bolschewistischen« Verschwörung war die in den besetzten Gebieten geübte Praxis der Ergreifung jüdischer Geiseln und Verdächtigter. Die 7.Armee gab den Befehl aus, immer dann, wenn sich ein Sabotageakt auf die ukrainische Bevölkerung zurückführen lasse, als Vergeltungsmaßnahme Juden und Kommunisten (insbesondere jüdische Komsomolzen) zu erschießen. Der Befehlshabere rückwärtiges Heeresgebiet Süd erläuterte einen entsprechenden Befehl so:

»Es muß der Eindruck entstehen, daß wir gerecht sind. Sabotageakte sind, sodern der Täter nicht zu ermitteln ist, nicht den Ukrainern, sondern den Juden und Russen zur Last zu legen; ihnen gegenüber sind daher Repressalien anzuwenden.«

Der Kommandeur des 350. Infanterieregiments schlug im Rapport an die 221. Sicherungsdivision folgenden Ton an:

»Die Judenfrage muß radikaler gelöst werden. Ich schlage Erfassung aller auf dem Lande lebenden Juden in bewachte Sammel- und Arbeitslager vor. Verdächtige Elemente müssen beseitigt werden.«"

  • Raul Hilberg, Vernichtung der europäischen Juden, S. 316f