Warum die Deutsche Öffentlichkeit Goldhaben nur falsch verstehen konnte


Man hatte mal wieder lesen lassen. Aber Pech gehabt, weil die stellvertretenden Leser nicht lesen konnten.

Was hatte man nicht bemerkt.

Goldhagen beweist schon mit dem Anfang seines Buches, daß jegliche Thesen, er sei rassistisch eingestellt oder unterstelle so etwas wie Kollektivschuld, oder gar er hätte etwas gegen Deutsche überhaupt, jeglicher Wahrheit entbehren. Obwohl das die damaligen Rezensenten wußten, haben sie das Folgende ignoriert und das Gegenteil behauptet:
"Hitlers willige Vollstrecker befaßt sich mit der Weltsicht, den Handlungen und den Entscheidungen des einzelnen, der Verantwortung, die jeder einzelne für seine Taten trägt, und mit der politischen Kultur, aus der diese Individuen ihre Uberzeugungen herleiten. Es zeigt, daß ein bestimmter Komplex von Vorstellungen und Auffassungen über "die Juden" im politisch-kulturellen Leben Deutschlands bereits weit verbreitet war, bevor die Nationalsozialisten an die Macht kamen, und daß eben diese Vorstellungswelt darüber entschied, was gewöhnliche Deutsche, als einzelne und als Kollektive, in der NS-Zeit hinzunehmen oder zu tun bereit waren. Der Charakter und die Entwicklung einer politischen Kultur sind immer historisch bedingt; ein solcher Kontext entwickelt und wandelt sich, wie wir es auch an der politischen Kultur der Bundesrepublik beobachten konnten und können. Nichts daran ist unveränderlich. Auf keinen Fall wird hier ein ewiger "Nationalcharakter der Deutschen" behauptet. Es geht nicht um irgendwelche grundsätzlichen und festgelegten psychischen Dispositionen "der Deutschen". Solche Begriffe und Vorstellungen lehne ich ausdrücklich ab; mein Buch und seine These haben nichts damit zu tun.
So wenig eine Diskussion über die politische Kultur eines Landes impliziert oder voraussetzt, daß die Menschen dieses Landes ein Stamm oder Volk mit unveränderlichen Eigenschaften seien, so wenig bedeuten verallgemeinernde Aussagen über die Menschen eines Landes, daß man diese als "Rasse" oder "Ethnie" begreift. Verallgemeinerungen sind ganz wesentlich fur unser Denken. Ohne sie könnten wir weder in der Welt noch in unseren Erfahrungen sinnvolle Strukturen erkennen. Wir können gar nicht anders, wir mussen verallgemeinern, wenn wir über Gruppen und Gesellschatten und über die Unterschiede zwischen diesen sprechen wollen. Wir brauchen Sätze wie: "Die meisten Deutschen sind heute im Grunde dewokratisch eingestellt." Oder: "Die meisten weißen Südstaatler waren vor dem amerikanischen Bürgerkrieg davon überzeugt, daß die Schwarzen von ihrer Konstitution her geistig und moralisch zurückgeblieben gerade darum als Lasttiere und Sklaven geeignet seien." Die meisten Weißen im Süden waren Rassisten, und der Rassismus dominierte und prägte das Bild von den Schwarzen, von der ihnen angemessenen gesellschaftlichen Stellung, von der richtigen Art des Umgangs mit ihnen. Beide Verallgemeinerungen repräsentieren eine Wahrheit. Und das ist der Punkt: Es geht nicht um die Wahrheit von Verallgemeinerungen als solchen, sondern darum, ob man sie verifizieren und belegen kann. Es hat nichts "Rassistisches" oder gar Unzulässiges, wenn man sagt, die Deutschen heute seien gute Demokraten; und ebenso zulässig ist die Behauptung, daß die überwältigende Mehrheit der weißen Südstaatler vor dem Bürgerkrieg Rassisten oder daß die meisten Deutschen in den dreißiger Jahren Antisemiten gewesen seien. Was an solchen Verallgemeinerungen allein entscheidend ist, ist die Frage, ob sie zutreffen oder nicht - ob sie sich empirisch begründen lassen und ob die Analyse, die ihnen zugrunde liegt, diese allgemeinen Schlußfolgerungen zuläßt.
Ich möchte mit meiner Beweisführung und Interpretation der Quellen deutlich machen, warum und wie der Holocaust geschah. ja warum er überhaupt möglich werden konnte. Es geht mir dabei um historische Erklärung, nicht um moralische Beurteilung. Mein Ausgangspunkt ist ein offensichtlicher: Der Holocaust hatte seinen Ursprung in Deutschland, er ist darum in erster Linie ein deutsches Phänomen. Das steht historisch fest. Wer den Holocaust verständlich machen will, muß ihn als eine Entwicklung aus der deutschen Geschichte heraus begreifen. Dennoch war er keinesfalls deren zwangsläufiges Resultat. Wären Hitler und die Nationalsozialisten nicht an die Macht gelangt, hätte es auch keinen Holocaust gegeben. Und sie wären wahrscheinlich nicht an die Macht gekommen, hätte es keine wirtschaftliche Depression gegeben. Mehrere Entwicklungen, von denen für sich genommen keine unausweichlich war, mußten zusammenkommen. damit der Holocaust verübt werden konnte."D.J Goldhagen, Hitlers willige Vollstrecker. S. 6)
Auch wurde ständig der Gegenstand des Buchs und die Methode falsch wiedergegeben.
Es wird nicht der Holocaust als Ganzer dargestellt:
Das Buch "bietet keine umfassende Darstellung des Holocaust."(a.a.O. S. 541)
Das Ziel ist theoretischer Natur, ein Erklärungsmodell zu finden.
"Die Absicht des Buches ist es, in erster Line eine Erklärung und Theorie des Holocaust zu liefern."ebenda
Es soll keine Beschreibung und Erzählung des Holocaust stattfinden, sondern nur soweit, die Taten allgemein zu charakterisieren.
"Beschreibung und Erzählung wurden diesme Zweck (der Erklärung MB) untergeordnet. Beide dienen nur dazu, die Taten und ihre Schauplätze zu charakterisieren."(ebenda)
Die Hypothese, die verifiziert werden sollte und verifiziert wurde, lautete:
"Es waren die Vorstellungen und Bilder von den Juden, die die Täter zu ihren Taten, zur Mitwirkung an der mörderischen Verfolgung der Juden motiviert haben; weil es diese Bilder gab, mußten die verschiedenen deutschen Institutionen sich den bereits vorhandenen Antisemitismus nur nutzbar machen."(ebenda)
Der Auschnitt der Wirklichkeit, der zur Verifikation genommen wurde war der Folgeden:
"Insitutionen und spezifische Fälle", "bei denen sich Einfluß und Triebkraft des Antisemitismus besonders gut herausarbeiten ließen." (ebenda)
Die Begründung warum diese Fälle geeignet sind, die Hypothese zu verifizieren:
"Wäre die Ausgangshypothese falsch gewesen, hätten die ausgewählten Fallbeispiele sie klar widerlegen müssen."(ebenda)
Die Konzentration auf eine bestimmte Tätergruppe hatte den folgenden Grund:
"deren Angehörige" waren "meistens 'gewöhnliche Deutsche'" " Denn die Handlungen dieser Menschen sind sehr viel schwerer zu erklären als die von entschlossenen Gefolgsleuten Hitlers. Die Tatbereitschaft der gewöhnlichen Deutschen stellt den Erklärungsansatz auf die härteste Probe: Wenn er deren Taten begreiflich machen kann, dann gilt er wohl auch für die Handlungen der begeisterten Hitler-Anhänger."(a.a.O. S. 543)
Es geht also nur um einen partikularen Zusammenhang, der wesentlich für die Erklärung des Holocaust ist. Nicht die SS-Leute und 150%gen Hitleranhänger, sondern die gewöhnlichen Deutschen, sozusagen Menschen wie Du und Ich, wurden untersucht.
"Unter den Einheiten, die diese Kriterien erfüllten suchte ich mir vor allem jene heraus, die sich aus Männern zusammensetzten, von denen man aufgrund ihrer Herkunft am wenigsten erwartet hätte, daß sie zu bereitwilligen Vollstreckern würden"(ebenda)
Gegenstand waren also die ggewöhnlichen Deutschen, nicht begeisterte Hitleranhänger und professionelle Mörder.
Und genau das hat die Öffentlichkeit hier erregt. Die Schuld konnte nicht mehr auf einige Extremisten abgeschoben werden, sondern jeder, der in dieselbe Lage gekommen wäre, hätte Täter sein können, schuldig werden können. Daher wird von Goldhagen auch keine Kollektivschuldthese aufgestellt:
"Die Vorstellung einer Kollektivschuld lehne ich kategorisch ab. Unabhängig von ihrem konkreten Handeln trifft die ganze Wucht dieses Vorwurf eine Person allein aus dem Grund, daß er oder sie zu einem größeren Kollektiv gehört, in dem Fall Deutscher oder Deutsche ist. Nun können aber nich Gruppen, sondern nur Individuen als schuldig betrachtet werden, und zwar als schuldig dessen, was sie persönlich getan haben. Der Begriff der Schuld soltle nur dann benutzt werden, wenn eine Person tatsächlich ein Verbrechen begangen hat."(a.a.O. S.11)
War alles das, was Goldhagen ausdrücklich ablehnt und was er in methodischen Bemerkungen ausgrenzt in Rezensionen als Inhalt des Buches ausgegeben wird, muß einen Grund haben.
Die Rezensenten und die ihnen folgen identifizieren sich immer noch mit den Ich-Idealen, die den Mord ermöglichten und nehmen Teil, nicht an einer kollektiven Schuld, ein Nonsensbegriff allemal, sondern an einem kollektiven Schuldgefühl. Der Wunsch ist Vater der Gedanken. Es ist Projektion. Sie haben ein Schuldgefühl und reagieren auf Thesen, die gar keine Schuld zusprechen, so als ob das getan würde.
Denn das Gegenteil von den zitierten wurde behauptet, würde in dem Buch drinstehen.
Ein Zufall kann so eine kollektive pathologische Reaktion nicht sein. Als sich allerdings Goldhagen persönlich an die Öffentlichkeit wandte und sympathisch wirkte, stellte sich heraus, daß so gut wie alle Rezensenten gelogen hatten oder nicht lesen konnten.